Kaum war das Buch da, trug ich es in die Schule
Das ersehnte Buchpaket mit »Du kannst zeichnen!« wurde mir während meines letzten GTA-Zeichnen-Kurses im März geliefert. Perfekt, denn so konnte ich das Buch selbst im Unterricht ausprobieren! Für den Rest des Kurses brauchte ich mich nicht mehr vorbereiten, sondern bediente mich an den Übungen im Buch. Die Kinder haben aktiv mitgearbeitet, ihre Beiträge habe ich in Form von kleinen Videos auf einer Extraseite veröffentlicht, den Link findest du unten im Post! So kannst auch du von den Kindern lernen!
Ich freue mich sehr, wenn ich von anderen höre, dass sie das Buch mit in die Schulen zu den Kindern nehmen und es dort praktische Anwendung findet. In diesem Post findest du einige Einblicke rund um die Entstehung meines zweiten Buches.







Von der kreativen Wolke im Kopf zum Buch in der Hand
Mein Buch ist nun fast vier Monate alt, Zeit für ein paar Einblicke in den Entstehungsprozess. Auch wenn ich es jahrelang im Hinterkopf hatte, dass aus meinem GTA-Zeichnen-Kurs ein Buch entstehen könnte, waren mir die Struktur und der Aufbau nicht klar, als ich die ersten Skizzen anfertigte. Bevor ich im Layout die Ideen auf die 144 Seiten verteilte, gab es eine Wunschliste mit Themen und Inhalten, die ich lange hin- und herschob und in eine Reihenfolge brachte. Da ich als Autorin auch Fotografin und Buchgestalterin war, bot es sich an, die grobe Struktur auf das Layout zu übertragen und Bild und Text direkt im Layout zu konkretisieren.
In der kreativen Wolke im Kopf kann eine Idee alles sein. Ein Eindruck mit vielen Gesichtern. Der Schritt – von der Vorstellung zum Visualisieren – kostet mich stets viel Energie. Oft verliert ein Thema seine Facetten und Mehrdeutigkeiten, wenn es von der Gedanken- und Gefühlswelt die Form von Buchstaben annimmt. Es entstehen mehr und mehr Sätze, um das Thema zu beschreiben. Die Sätze werden wieder reduziert und durch die Bilder ergänzt. Für mich hat dies viel mit Reibung zu tun. Ich begebe mich in den Kern des Themas und gehe immer wieder einige Schritte zurück. Betrachte es mit Abstand. Versuche in mir fremde Augen zu finden. Die meiner Leserinnen. Würden sie anhand des Textes und der Bilder fühlen, was mir auf dem Herzen liegt?


Ein entschleunigtes Layout bietet viel Raum für die Kinderkunst
Skizzen mit Ideen für die Kapitelaufteilung und Vorstellungen zum Umgang mit Bild und Text gab es nicht viele. Eine Doppelseite ist im Skizzenbuch entstanden. Wie du oben links sehen kannst, entsprach das schon recht gut dem, was tatsächlich im Buch zu sehen ist. Im Unterschied zum ersten Buch »Schöne Post« ist das Layout bei »Du kannst zeichnen!« grundsolide und unaufgeregt. Drei Spalten, klare Regeln für Größen, Abstände und Aufgaben der Fotos, flache Textstruktur. Für einige wenige Ausnahmen, z. B die Kapitelauftakt- und die Tippseiten, habe ich schließlich das ganze Buch mit sechs Spalten angelegt. Bis zur Gestaltung der letzten Seite brauchte ich keine Sonderregeln, sondern fühlte mich sehr zufrieden mit den anfänglichen Layout-Entscheidungen. Das hat mich positiv überrascht und glücklich gemacht.
Da die Zeichnungen der Kinder so gut gelungen sind, wollte ich, dass diese keine Konkurrenz im Layout haben. Es gibt von meiner Seite keine kinderfreundlichen Icons oder erklärende Symbole, diese hätten eine weitere bildnerische Ebene ins Buch gebracht, auf die ich bewusst verzichtet habe. Schließlich wollte ich sagen, dass das ganze Buch von Kindern illustriert worden ist. Icons befinden sich auf einer anderen visuellen Ebene als Stillleben und hätten von der eigentlichen Botschaft ablenken können. Das Buch vertraut von Beginn an darauf, dass die Kinder mit ihrer unbefangenen Art und Weise selbst veranschaulichen, wie man gut zeichnet.

Mehr Licht bitte – Ein Leben im »Fotostudio«
Ungefähr für ein Jahr diente mein Atelier als Studio für die unterschiedlichsten Stillleben-Aufbauten und Zeichensituationen. Für ein Fotoshooting stand der dekorierte Tisch teilweise tage- oder wochenlang, bis das passende Fotolicht vorhanden war. Viele Projekte entstanden zeitgleich, verschachtelt und versetzt.
Unten seht ihr, wie Hugos Zitronen-Zeichnung entstanden ist. Die Zitronen haben sich im Laufe der Zeit als Leitmotiv für das Buch herauskristallisiert. Obwohl Zitronen haltbarer sind als Erdbeeren und Bananen, musste ich mehrfach neue kaufen, weil sie vertrocknet oder verschimmelt waren. Zu verdanken hatte ich dies, dem oft ungünstigen Fotolicht meiner Südwest Fensterfront.


In den 13 Jahren Unterricht mit Kindern habe ich viele Ideen für geeignete Motive gesammelt. Für das Buch musste ein extra Tischchen hergestellt werden, um auf diesem Stillleben zu sortieren und auszuprobieren. Dort warteten sie geduldig auf ihren Auftritt. Auf dem Foto mit dem Skizzenbuch von Selma zeigt sich gut, wie unberechenbar sich das Licht verhalten hat. Die pralle Sonne war zu hart für gute Fotos, Plissees haben den Raum zu sehr abgedunkelt. Das beste Fotolicht entstand, wenn der Himmel eine leichte Wolkendecke hatte und die Sonne noch nicht direkt auf den Tisch schien.



Ein Alltag voller Motive
Ein Jahr lang mit einem Buch »schwanger« zu sein, bedeutet, dass es allgegenwärtig ist. Das Stiefmütterchen ist ein wunderbares Motiv, das ich jedem ans Herz lege! Eisessen in Colditz, nicht ohne links und rechts nach Motiven zu suchen. Während es das Stiefmütterchen in der Form nicht ins Buch geschafft hat, kam mir das wandelnde Röschen im Botanischen Garten Chemnitz sehr gelegen! Ich suchte ein florales Motiv mit vielen Farben für eine Projektseite, auf der es um Farbfächer- und Sammlungen geht.



Rahmenbedingungen für den Anfang
»Von den Kindern lernen« meine ich nicht als Floskel. Der Unterschied in den Zeichnungen der Kinder zwischen »malt aus der Fantasie« und »zeichnet nach einem Stillleben« ist enorm! Im Grunde muss ich zugeben, es ist kein »Lernen« erforderlich, um richtig gut zu zeichnen. Das klingt seltsam? Ich konnte bei keinem der Kinder eine Entwicklungsphase im Sinne von »Jetzt zeichnet es nicht gut, jetzt hat es viel geübt und man sieht es endlich und jetzt hat es wirklich verstanden« erkennen. Das Zeichnen von realen Gegenständen wie Äpfel, Uhren oder Naturgegenstände klappte auf Anhieb. Das hat mich sehr fasziniert! Interessant finde ich, dass es so unüblich ist, auf diese Weise zu zeichnen. Wenn ich Freunden von meinem GTA Kurs erzählt habe, waren sie überrascht, dass ich MIT KINDERN Stillleben zeichne. Als wäre das zu kompliziert.

Hinter den Bildern im Buch stecken viele echte Geschichten
Ich hatte regelmäßig Gäste in meinem Atelier. Benjamin hat zum ersten Mal auf diese Weise Pflanzen gezeichnet und es hat wunderbar geklappt. Sein Werk findet ihr im Buch! Während eines Treffens mit Kindern, das konkret zum Zeichnen von Stillleben für das Buch initiiert wurde, habe ich nicht unterrichtet. Es gab zu viele Aufgaben (Motivstimmigkeit für das jeweilige Kapitel, Fotos erstellen) drumherum. Ich habe die Rahmenbedingungen gesteckt und die Kinder machen lassen. In dem Moment dachte ich mir, warum schreibe und gliedere ich so viel für mein Buch? Die können das doch einfach so!
Da ich nicht konkret planen konnte, wie die Kinder zeichnen und mitmachen, habe ich mich jedes Mal flexibel auf die Situation eingelassen. Die Schnecke wurde unbemerkt mit den Brombeeren vom Strauch vor dem Haus gepflückt. Auf dem Zeichentisch hat sie sich dann gezeigt und wurde gleich für das Buch verewigt. Nach ihrem Job als Model und überstandenem Fotoshooting durfte sie wieder zurück in ihren Busch ziehen.






Einige einzige Zeichnung von mir als Lückenfüller
Von einer schönen Zeichnung, die ich vor vielen Jahren im Unterricht fotografiert hatte, fehlte die Erlaubnis des Urhebers. Nach all den Jahren konnte leider kein Kontakt mehr hergestellt werden. Zuerst zeichnete ich ein Bild, das seinem Bild ähnelte. Dann entschied ich mich für eine eigene Version, für die eine komplette Bleistiftspitze dran glauben musste. Es gibt also ein Zeichnung von mir im Buch, im letzten Kapitel, in dem Projekte variieren.
Die Astern vertrockneten mir auf dem Aquarellkasten, ohne dass sie je gezeichnet wurden. Auch schön.


Ein Titelentwurf ist stets eine Gratwanderung
Für den Titel gab es viele Entwürfe in alle Richtungen. An dieser Stelle treffen sich die Bedürfnisse vieler Interessen. Als klar war, dass es ein bunter Hintergrund auf Aquarellpapier werden soll, kam es auch hier zu einigen Variationen. Aus gewissen Gründen gefiel mir die Idee im Verlauf auf Grün und Rot zu verzichten. Gelb konnte ich gerade noch einsehen, da ich Zitronen mag. Da Lila und Gelb komplementär aufeinander reagieren und sich gern zu einem schmuddeligen Braun ergänzen, habe ich einen beachtlichen Aquarellverlaufs-Stapel-Versuche in meinem Archiv liegen. Irgendwann gab es einen zufriedenstellenden Verlauf, der jetzt den Titel ziert.



Bei »Schöne Post« war der Name des Buches schon viele Monate als Arbeitstitel etabliert. Ich war irritiert, als er dann ganz einfach zum echten Titel des Buches wurde. Danach musste ich erstmal in mich gehen, wie ich das finde. Denn der Arbeitstitel kam spontan aus dem Bauch heraus. Bei »Du kannst zeichnen!« suchten wir lange und intensiv. Die Vorschläge trafen es alle nicht.
So ging ich in mich und erinnerte mich an einen Workshop, den ich in der Grundschule während der Arbeit am Buch hielt. Die Kinder wurden an meinem Buchprojekt beteiligt. Ich zeigte ihnen meine bisherigen Buchseiten im Rechner, wir zeichneten Stillleben und scannten sie ein. Einige Ergebnisse aus dem Workshop sind im Buch zu sehen. Zum Beispiel die Birnen von Fynn und die Obstschale von Gerlind.



Mein Workshop war Teil der Schul-Projektwoche »Kinder können viele Sachen!«. Die Stimmung an den Projekttagen war wunderbar! Zu sehen, wie die Kinder in viele tolle Projekte einbezogen wurden, um ihnen zu vermitteln »Hey! Du kannst das!« Eine viel bessere Herangehensweise, als Schule so zu verstehen, als dass man echt noch viel zu lernen hat. Und »du kannst das!« ist genau meine Erfahrung, die ich im Zeichenunterricht mit den Kindern gemacht habe. Sie konnten es! Sie haben gezeichnet, nicht ich. Ich habe ihnen den Rahmen gestellt. So, wie auch nun mit dem Buch »Du kannst zeichnen!«.
Schau gern HIER vorbei, in diesem Post habe ich andere Aspekte rund um das Buch beschrieben.
Hier lang geht es zur Projektseite des Buches. Mit vielen Videos und Anleitungen zum Zeichnen.
Danke für dein Interesse und liebe Grüße von Tabea
Großartig, dass du nochmal so im Detail den Entstehungsprozess deines Buches erzählst. Ich habe ja zwischendurch immer wieder etwas mitbekommen in der Entstehungszeit, aber dieser Beitrag fasst es für alle nochmal so richtig gut zusammen. Die intensive lange Arbeit hat sich so sehr gelohnt!
Ganz liebe Grüße von Michaela…. die gerade auch schon ganz viel zu ihrem aktuellen Buchprojekt erzählen würde, aber immer noch das Geheimnis bewahren muss.
Liebe Michaela, ich danke dir! Ja, die intensive Arbeit wirkt noch nach. Es tut gut, noch mal zurückzublicken und das eine oder andere zu erwähnen. Ich wünsche dir alles Gute für dein aktuelles Projekt! Ich freue mich darauf!
Liebgruß von Tabea